there’s a monster in my room [2022]

there’s a monster in my room

26.03.2022, 16 – 03 Uhr

Treptow Ateliers

Im Rahmen der Ausstellung „Opening Hours“ des Fünfter Löffel e. V.

Türe aufschließen. Schuhe ausziehen. Auf die Couch setzen. Die Konsole anschalten. Das vertraute Aktivierungsgeräusch tönt auf. Controller in die Hand nehmen. Spiel starten. Das Zimmer ist abgedunkelt. Hinter dem Bildschirm strahlt farbiges Licht. Rot Grün Lila Blau. Die Nacht ist jung und in der Welt der Games tickt die Uhr sowieso anders. Sie wiederholt ihren verkürzten Lauf. Zeitlupen und unglaubliche Geschwindigkeiten werden zum Status Quo. Das Koffein steigt in den Kopf, denn die nächste Runde, das nächste Level, der nächste Gegner, die nächste Quest fordert Aufmerksamkeit. Tod und Leben sind nur wenige Tastenkombinationen auseinander. Die Wiedergeburt ist mitgedacht. Endlich wieder da.

Egal ob chaotisches Kinderzimmer, liebevoll eingerichtete Man-Cave oder hochprofessionelles Streaming-Studio: Im Gaming Room ist man meistens allein. Der wuchtige Bürosessel am Schreibtisch lässt nur Platz für eine*n Spieler*in, der Curved Monitor entfaltet nur aus einem Blickwinkel seine volle Wirkung. Doch trotzdem sind die Gamer*innen nicht einsam: im Spiel oder im Chat stehen sie im ständigen Austausch, oft auch im Wettbewerb. Zahlreiche Accessoires versprechen bessere Performance: Gaming-Mäuse, Keyboards, Stühle, Tische, Headsets, sogar spezialisierte Energy-Drinks oder Snacks werden angeboten.

Welche Rolle spielt das Gaming und sein Raum in unserer Gesellschaft? Wenn wir dem Homo ludens von Johan Huizinga folgen, ist das Spielen Grundkonstitution des Menschen – erst durch das Spiel entwickelt er Kultur und Bedeutung. Der Spielraum ist ihm zufolge ein Raum, in dem der Handlungsrahmen schon festgelegt ist – doch innerhalb des Rahmens kann der Mensch sich ausprobieren. Ohne Spiel wäre der Mensch nicht der, der er heute ist. Fortschritt erzählt sich aus dem Jetzt zum Zukünftigen hin, die Zukunft aber muss im Spiel erprobt werden. Der spielende Mensch ist somit essenziell für den Menschen an sich und dessen Zukunft.

Doch stellt sich die Frage, ob Gaming der Idee des Homo ludens folgt? Was sich auf den ersten Blick als einsame, isolierte und weltfremde Tätigkeit präsentiert, birgt in sich doch viel mehr. Das Gaming Zimmer kann in Gemeinschaft mit Freund*innen funktionieren, oder allein. Die Interaktion findet sowohl im Spiel als auch nebeneinander auf der Couch statt. Es ist ein Raum, der sowohl zwei- als auch dreidimensional funktioniert, der sowohl körperlich als auch körperlos ist. Aber es ist immer auch ein Ort, der die Machtdynamiken der Gesellschaft reproduziert, denn »das eigentliche Subjekt des Spieles […] ist nicht der Spieler, sondern das Spiel selbst« (Gadamer). Spielen bedeutet immer auch Gespieltwerden. Und je nahtloser das Spiel sich dem Menschen vermittelt, desto unsichtbarer wird das Gespieltwerden. Es stellt sich nur die Frage, wie Spielen und Gespieltwerden bewertet werden. 

Kann die Zocker*in die Möglichkeiten des Spiels nutzen, ihre Existenz neu zu formulieren und Utopien entwerfen? Oder wird sie gespielt, in dem jeder ihrer Schritte schon gedacht und jedes Eintauchen in eine andere Welt demselben monotonen Prinzip folgt? Diesen Fragen gehen wir auf den Grund. Wir öffnen den solitären Gaming Room einem großen Publikum. Die gezeigten Arbeiten beschäftigen sich mit Gaming oder nutzen Videospiele als Medium. 

 

In Rhythm Zero Los Santos wandelt Jonas Blume auf den Spuren von Marina Abramovic’s Performance, in welcher die Zuschauenden für 6 Stunden eine Vielzahl an Gegenständen an ihr anwenden konnten. Die Performance eskalierte zunehmend und endete beinahe mit ihrem Tod. Blume reinszeniert diese Performance in der Welt von GTA Online, in der Gewaltexzesse zum Spiel gehören. Wie reagieren die Mitspieler*innen, wenn eine Gegenreaktion ausbleibt? Wie verändert sich der Blick auf das Verhalten in Online-Spielen, wenn man den Controller aus der Hand legt?

 

ArwinA und Daria Kozlova stellen in ihrem laufenden Projekt, der Rollenspielsimulation Limboship, Situationen dar, die Menschen mit Migrationsstatus tagtäglich erleben müssen: von Diskriminierung, bürokratischer Schikane, bis hin zu Polizeigewalt und Abschiebungen. Limboship wird in der Egoperspektive gespielt, konzentriert sich dabei auf Erfahrungen, die internationale Studierende beim Landesamt für Einwanderung machen müssen und basiert auf tatsächlichen Ereignissen, Zeugenaussagen und Interviews.


Marta Vovk verwendet in ihren Arbeiten immer wieder Markenlogos und kombiniert diese mit Figuren aus Anime- und Kinderserien. MNST konfrontiert die Betrachter*innen mit dem übergroßen Logo des Energydrinks Monster, welcher aus der Gamingszene nicht mehr wegzudenken ist. Losgelöst vom Produkt erinnert das Markenemblem daran, dass hinter Hobby und Community eine milliardenschwere Industrie steckt, die vom Markenkult und der Loyalität der Spieler*innen profitiert.

 

Künstler*innen

Jonas Blume
ArwinA & Daria Kozlova
Marta Vovk

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