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12.07.2019, 21.30 – 00.00 Uhr

Campus Nord der Humboldt-Universität zu Berlin

Ausstellungsplakat
unknown © Charlotte Hansel
© graphic design by Charlotte Hansel in collaboration with Susi Hinz

unknown ist ein Performanceabend, der dem Zufall überlassen  ist: Die durch einen Zufallsgenerator ausgewählten Performances kreisen thematisch um die Abgabe der Entscheidungsmacht an übernatürliche Kräfte.

Werkliste

Naz Balkaya: Biometric Hermit, 30 min
Die Performance Biometric Hermit thematisiert die  Herausforderungen, mit denen sich aufstrebende Künstler*innen in der  westlichen Kunstwelt konfrontiert sehen. Sie spiegelt den unformatierten  und unselektierten Zustand der Millennials mit Migrationshintergrund  als Außenseiter*innen innerhalb der oft rassistischen und  pseudo-ermächtigenden institutionellen Strukturen. Warum marginalisieren  Institutionen weiterhin Positionen, die andere Erfahrungshintergründe  haben und aufgrund dessen oft nicht als der*die „ideale Kandidat*in“  gelten? Wer sind wir, wenn wir Teil der Kunstszene werden und zu wem  werden wir nach dem Verlassen dieses Systems?

Beatrice Celli: Collective Rosery, 30 min
Die lange Kette aus Nüssen, Eicheln, Keramik, Mehl und Salz ist  eigentlich ein riesiger Rosenkranz. Mit diesem Projekt lädt Celli die  Zuschauer ein, an einem Moment des Teilens zu partizipieren. Der  Rosenkranz ist Gegenstand eines intimen Rituals, dem ein fester Glauben  zugrunde liegt. Auf dem Campus Nord wird es zu einem kollektiven Ritual  ohne gemeinsamen Kult. Was bleibt von einem Ritual übrig, wenn es von  seinem Glauben befreit ist? Neben dem Rosenkranz schuf Celli kleine  Auflagen. Die Auflagen enthalten Geschichten, die sie in einer Sprache  verfasst hat, die aus einer Mischung mehrerer Sprachen entstanden ist.  Dadurch bilden sich absurde Texte mit evokativen und poetischen Worten,  die aber keinen Sinn zu ergeben scheinen.

Yan Gi Cheng & Rei Matsushima: Do you have a question for the universe?, 30 min
Die metaphysische Teeritual-Performance versteht sich als  Bedeutungsaustausch und weckt dekontextualisierte Assoziationen mit  rituellen Objekten und Handlungen. Jede*r Zuschauer*in ist eingeladen  das Universum zu befragen. Antworten versprechen die beiden parallel  ablaufenden partizipativen Performances von Rei und Yan. Rei trinkt mit  den Fragestellenden einen Tee aus in Berlin gesammelten Kräutern und  Pflanzen. Die Muster in den Blattstrukturen verraten die Antworten auf  die Fragen an das Universum. Jedes Mitglied der Zuschauergruppe wird  ebenfalls eingeladen, an einer I Ching Lesung mit Yan teilzunehmen. Drei  Münzen werden sechs Mal geworfen und die entstandenen mathematischen  Hexagramme entschlüsseln die Antwort auf die Frage an das Universum.  Diese beiden Rituale ermöglichen es der*m Einzelnen, Einsichten in  Schicksale zu gewinnen und die Hoffnung zu stärken.

Daniel Chluba: Hasskäppchen, ongoing
Am 11. Oktober 2017 und am 06. November 2017 wurde die Hasskäppchen-Performance  in Wien durch die Polizei wegen des behaupteten Verstoßes gegen § 2  Abs. 1 AgesVG, dem Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz, abgebrochen. Das  Hasskäppchen wurde auf die Wache geführt. Die Personalien wurden  aufgenommen, und es wurde ein Bußgeld verhängt. Gegen die Bußgelder hat  der Künstler Widerspruch eingelegt. Das Verfahren ist noch nicht  entschieden. Während der Performance schlüpft der Künstler weniger in  die Rolle einer Frau, sondern setzt ein Zeichen gegen das  Anti-Burka-Gestz mit einem zutiefst männlichen Kleidungsstück, der  Pudelmütze. Das Hasskäppchen erinnert an eine Sturmmaske,  Rotkäppchen, eine Burka, ein Ganz-Körper-Kondom (Die Nackte Kanone), an  den Pussyhat, mit ein bisschen Pussy Riot. Das Hasskäppchen ist eine Materialisierung aus den digitalen hate posts im Internet, plus dem ganz persönlichen Hass des Künstlers.

Charlene Galea: brainwashed, 30 min
Die Aufführung inszeniert eine wahre Geschichte vom Frau-Sein und vom  Einfluss der Medien darauf. Die Performance verhandelt den Blick auf  andere Frauen und die Beziehung zum eigenen Körper, vor allem aber die  Liebe für und den Hass auf die Werbe- und Modebranche. Kann man den  Marketing-Strategien dennoch zum Opfer fallen, obwohl man bereits viel  gelernt und andere versucht hat aufzuklären? Charlene Galea nutzt die  sozialen Medien, ihren Körper, Sarkasmus und Humor, um Botschaften zu  verbreiten und zu zeigen, was es in der heutigen Gesellschaft heißt, vor  dem Spiegel und im Netz, man selbst zu sein.

Stas Ginzburg: The Annunciation, 22 min
The Annunciation, 2019 stellt eine Referenz auf die biblische  Verkündigungsszene dar, die wir insbesondere aus Renaissancegemälden  kennen. Erzengel Gabriel erscheint der seligen Jungfrau Maria, um ihr zu  verkündigen, dass sie Jesus empfangen wird. Maria wird in der Regel mit  einer über ihrem Kopf schwebenden weißen Taube dargestellt – dem Symbol  des Heiligen Geistes. In der Performance The Annunciation wird  die Taube durch eine Drohne ersetzt, die ununterbrochen über dem Kopf  des Künstlers kreist, der in einer Pose verharrt, die an The Annunciation von Nicolas Poussin erinnert. Die übernatürliche Kraft des Heiligen  Geistes verwandelt sich in eine Maschine, die in der heutigen Zeit zu  einem Symbol der Unterdrückung und Überwachung geworden ist. Ihr  wachsames Auge und ihre bedrohliche Präsenz kann als Mahnung an uns  Beobachtete, die wir uns der Illusion der Kontrolle über unser eigenes  Leben hingeben, verstanden werden.

Constantin Hartenstein: ADJUST
Ein Mann steht so lange er kann auf dem Gesicht eines anderen Mannes.  Beide Männer halten sich an den Händen. Ein Musiker spielt dazu sein  Instrument, solange sein Atem anhält. Die Performance führt alle  Performer an die Grenzen der körperlichen Ausdauer.

Sophia Hörmann: GLOWING current moods, 30 min
Im Spannungsfeld zwischen Kontrolle und Ekstase wird die Beziehung  zwischen Sein und Imagination zum rutschigen Balanceakt. In ihrer vom  Eiskunstlauf inspirierten Solotanzperformance zeigt Sophia Hörmann einen  Körper, der sich der Illusion von Veränderung hingibt und sich das  ultimative „Glow“-Erlebnis erhofft, nur um letzten Endes der eigenen  Gewöhnlichkeit etwas Ungewöhnliches zu verschaffen.

Torben Jost: Exotic Exploration, 30 min
Pepino. Banane. Passionsfrucht. Ananas. Mango. Kaki. Kokosnuss. Das  schmeckt nach gerade genug Aufregung und Unbekanntem, um sich wohl zu  fühlen. Die globalisierte Welt strömt emotional und ganz konkret in die  Obstschale. Eigentlich verbindet diese Früchte nur wenig. Sie stammen  aus unterschiedlichen Teilen der Welt und haben unterschiedliche  botanische Merkmale. Exotik basiert darauf, nicht so genau darüber  nachzudenken, was das eigentlich bedeutet. Exotic Exploration  zeigt den Gegenversuch. Der Performer scheitert permanent daran, den  Inhalt einer Obstschale zu ordnen. Immer wieder nennt er die Früchte bei  ihren Namen, wieder und wieder. Macht er einen Fehler, so ordnet er sie  neu an und beginnt von vorne. Auf den ersten Blick scheint der  Performer in seinem obsessiven Unterfangen geleitet von natürlichen  Kategorien. Die stetige Wiederholung wirft allerdings Fragen auf über  die Funktion von Sprache und Benennungen und über die Macht, die in  dieser Deutungshoheit liegt. So stellt sich die Frage, inwiefern  ökonomische Machtstrukturen und Diskurse heute überhaupt noch von  Kategorien des „Natürlichen“ getrennt werden können.

Tilman Kanitz: un|selection, 30 min
In un|selection geht es um drei transitäre Identitätsmodelle:
Die Loslösung von der Entscheidungsmacht.
Die Auflösung der Ich-Kraft.
Die Klarsicht des Publikums.
Im Verlauf der Performance wird ein Zustand erreicht, in dem die Darstellenden Projektionsflächen der Zuschauenden werden. In un|selection übernehmen die Kräfte des Publikumskörpers im Ganzen und jede materiell  oder immateriell anwesende Entität durch Zufallsoperationen, anhand des  I GING – Buch der Wandlungen, die Kontrolle des Geschehens. Zwei antike  Resonanzkörper reagieren auf das vom Publikumskörper gesendete  hyperkomplexe Frequenzcluster. In Momenten bricht diese fragil gewebte  Konstruktion und es ist die Klanglichkeit einer singulären Entität zu  hören.
un|selection ist die Hingabe an eine Sichtbarmachung der Frequenzen, Vibrationen und Interferenzen von Einsamkeit in Gemeinschaft.

Agnieszka Karasch: DYSHOMEOSTASIS, 30 min
Die Dyshomöostase ist eine Störung jedes sich selbst regulierenden  Prozesses in der Natur. Diese Abweichung von der Stabilität führt zu  neuen, für das Überleben optimierten Bedingungen. Die Performance  beschäftigt sich mit dem biologischen Aspekt der Selektion – mit  instinktiven Reaktionen, Kontrolle und dem Überleben des Stärkeren. Die  Künstlerin lädt eine weitere Performerin ein, mit ihr eine  konfliktreiche, quasi-antagonistische Handlung auszuführen und mit  Körperanstrengungen wie Geschwindigkeit, Gewicht oder Druck zu  experimentieren. Dabei wird dem Gegenüber der Wille des anderen  aufgezwungen, das Terrain markiert und versucht, die selbstgeschaffenen  Bildgebietsgrenzen zu bewahren. Das endgültige Bild wird eine  Aufzeichnung dieser dynamischen Kämpfe, gegenseitigen Einflüsse und  Versuche sein. Eine unerwartete und verstörte Zeichnung – übersättigt  von Markierungen und Spuren.

Marja Marlene Lechner: You get what you see II, 15 min
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Feuer und Licht, nimmt dir die Sicht
Spiegel dich oh du schöne Weide
mein Auge
dein Auge
Feuer und Licht heißt Nahrung und Paarung
der Wesen mit denen du dir diese Welt teilst.
Musik ist nicht das, was man spielt,
Musik ist die Summe aller Entscheidungen, die man trifft.
Und die trifft jeder anders.

In ihren Performances singt Marja Marlene Lechner ihre Lieder. Sie  handeln vom menschlichen Scheitern, von Liebe und von Kommunikation.  Lieder wie “miau”, “ich fiel die Treppe runter”, “1,2,3”, “god give us  more money”, oder “Es tut mir nicht weh” verdinglichen oder  versinnlichen eingeschriebene Handlungsweisen und Gefühlswelten.
Die Aufführung im Park wird eine Weiterführung ihrer Performance You get what you see (2018, STUDIOLO) sein. Durch Spiegel wird das jeweilige Gegenüber  und/oder dessen Umgebung reflektiert und auf sich selbst zurückgeworfen.

Aron Lesnik: das Messer, 10 min
Ich möchte gebären aus einem Kraftakt heraus ein Messer mit kaltem Griff und Schneide.
Es wird tanzen unter dem Druck meiner Wehen.
Es wird glühen aus der Kraft meines Beckens.
Es wird Klingen meine Gedanken das Messer.

Dina Shneider: Techno Painting, 45 min
Techno Painting übersetzt den Klang Berlins in eine visuelle Sprache.  Die Performerin tritt dabei in einen fließenden Zustand ein und nähert  sich der Musik durch Schichten von Farbe. Die Farbe ist der intuitivste  und doch bewussteste Filter der Klangschwingungen. Die Idee zur  Technomalerei kam auf, als die Künstlerin im Berghain unter dem Einfluss  von Substanzen stand: „Ich war frei wie nie zuvor. Ich habe mich selbst  geliebt. Ich habe meine Umgebung geliebt. Und ich war mir dessen  vollkommen bewusst. Die Musik war eine schamanische Trommel und ich war  Teil der Zeremonie. Ich hatte das große Bedürfnis diese Erfahrung mit  der ganzen Welt zu teilen. Die Lichter pulsierten über meinem Kopf. Ich  konnte die kraftvollen Tanzbewegungen sehen. Ich fühlte die starke  Vibration der Musik, umgeben von schönem Chaos. Ich schaute auf ein  abstraktes Gemälde!”

Lauryn Youden: the more I listen to my body, the more I hear it screaming, 20 min
The more I listen to my body, the more I hear it screaming ist  sowohl Krankheitsgeschichte als auch historischer Aufsatz. Der  autobiografische und theoretische Text verhandelt Lauryn Youdens  Erfahrung mit dem Verlauf ihrer Fibromyalgie-Diagnose und umfasst eine  Auflistung eigener Sehnsüchte und Ängste sowie Einschreibungen von  Ignoranz und Vorurteilen anderer, die den Zugang zu einem Raum für  Unterstützung, Hilfe und Fürsorge versperren. In den Text eingeflochten  ist eine historische Untersuchung des soziokulturellen Umfelds der  Fibromyalgie und anderer „Frauen“-Krankheiten. Die Erforschung von  Kindheitstraumata als eine der Ursachen des Krankheitsbildes fließt  dabei ebenso in den Text ein wie Schlaflieder, die in den  georgisch-heidnischen Traditionen als Medizin verwendet wurden.

Künstler*innen

Naz Balkaya
Beatrice Celli
Yan Gi Cheng & Rei Matsushima
Daniel Chluba
Charlene Galea
Stanislav Ginzburg
Constantin Hartenstein
Sophia Hörmann
Torben Jost
Tilman Kanitz
Agnieszka Karasch
Marja Marlene Lechner
Aron Lesnik
Dina Shneider
Lauryn Youden

Kuratiert von: Polina Kokotov und Liz Stumpf

 

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